Alter und junger Elefant begrüßen sich mit Rüsseln

Geliebte
Senioren

Tierisch spannend

Im Zoo leben Tiere deutlich länger als in der Wildbahn

Dieser Artikel erschien zuerst in der Ausgabe Herbst 2020 der Zoo-Zeitschrift JAMBO!.
"Ronan" und "Friederike" legen sich gerne oft ab. Die 16-jährigen Pferdeantilopen sind eben keine jungen Hüpfer mehr.
"Ute" wird täglich mit eingeweichtem Heu und weichen Pellets gefüttert – mit ihren 13 Jahren hat die Zwergziege Schwierigkeiten beim Kauen.
Wenn Zootiere ins Seniorenalter kommen, haben sie oft dieselben Beschwerden wie wir Menschen. Liebevoll kümmert sich dann das Tierpfleger-Team und die Tierärzte und Tierärztinnen um ihre greisen Schützlinge.
Ziege
Pferdeantilope

Leitkuh "Indra"

"Indra" zum Beispiel, die 47-jährige Elefantenkuh, hat Zahnprobleme und einen Abszess an der Schulter, der altersbedingt – ebenfalls wie beim Menschen – schlechter heilt. Mit Engelsgeduld behandelt das Team die stolze Leitkuh, die sich für die Prozedur bereitwillig an die Behandlungswand lehnt.
Sie kennt das schon und weiß, was sie erwartet. Außerdem gibt es immer eine Extra-Leckerei als Belohnung!

Dörte Gurdulic, Tierpflegerin

Auch die regelmäßige Zahnkontrolle lässt "Indra" geduldig über sich ergehen. Einer ihrer Backenzähne wuchs schief, konnte deshalb nicht herauswachsen und musste abgesägt werden. „Das passiert schon mal“, so Dörte Gurdulic, „muss aber jetzt beobachtet werden.“
Elefanten haben auf jeder Kieferseite immer nur einen (langen) Backenahn, der von dem aus der Backe nachwachsenden nach vorne geschoben wird. Fünfmal wechseln Elefanten in ihrem Leben so die Zähne, bis sie im hohen Alter tatsächlich zahnlos sind. In der Wildbahn würden die Tiere dann verhungern. Der Zoo dagegen ist für diese Zeit vorbereitet: „Wenn Indra ihre letzten Zähne verliert, füttern wir sie mit Spezialnahrung.“ So ist das.
Auch auf die altersbedingten Eigenheiten ihrer Schützlinge hat sich das Zoo-Team eingestellt. "Indra" schläft lieber allein, getrennt von der Herde, und trainiert auch lieber allein mit ihren Pflegern – ohne rüsseltragende Zuschauer. Außerdem mag sie es, morgens mit einer Extra-Leckerei begrüßt zu werden.
„Sie ist eben ein bisschen eigenbrötlerisch“, nennt Dörte Gurdulic es schmunzelnd.
Elefantenkuh "Indra"
Zahn von Elefanten-Kuh

Einer der Backenzähne der Elefantenkuh wuchs schief, konnte deshalb nicht herauswachsen und musste abgesägt werden.

Schimpanse "Max"

Schimpanse "Max", mit jetzt 56 Jahren das älteste Tier im Zoo, stellt seine Pfleger vor so manche Herausforderung. Nasses Wetter mag er gar nicht, das bekommt seinem Rheuma im rechten Fuß nicht. Dann bleibt er lieber im Haus im Warmen. Alles klar.
Morgens schläft "Max" gerne extrem lang aus. Kein Problem.
Manchmal jammert er ein wenig zu gerne – ihm fehlt dann gar nichts, er möchte einfach Zuwendung bekommen. Kriegt er.
Sein Futter wird ihm hinter den Kulissen serviert, damit das Tierpflege-Team beobachten kann, ob er ausreichend frisst. Außerdem bekommt er hochkalorische Getränke mit dem kompletten Nährstoffspektrum in einer Flasche, wie sie auch oft in Altersheimen angeboten werden. Das Team passt auf, dass er genügend trinkt, das vergisst er nämlich manchmal.
Vergesslichkeit im Alter gibt es eben auch bei Tieren.
Schimpanse in der Themenwelt Afi Mountain im erlebnis-Zoo Hannover: Blick zwischen Mensch und Menschenaffe
Schimpanse läuft

Schimpanse "Max", mit jetzt 56 Jahren das älteste Tier im Zoo

Das Krankheitsspektrum der Tiersenioren reicht wie bei Menschen von chronischen Gelenkentzündungen über Herz-Kreislaufprobleme, Gefäßverengungen (Arteriosklerose), Zahnausfall, grauen Star, Immunschwäche, Verdauungsstörungen, Niereninsuffizienz – besonders bei Großkatzen –, Gicht, Rheuma, Osteoporose, Haarausfall und Diabetes bis zu Tumoren.
In der Wildbahn erreichen Tiere selten das Höchstalter. Wer dort alt ist, ist zugleich leichte Beute. Oder kann selbst nicht mehr auf die Jagd und Futtersuche gehen. Im Zoo dagegen werden die Tiere deutlich älter. Hier gibt es keine natürlichen Feinde, keinen Stress, dafür immer ausgewogenes Futter und beste Pflege durch Tierpfleger und Tierärzte.
Addax-Antilope "Mücke"

Addax "Mücke"

Addax Mücke, mit 17 Jahren die älteste Antilope auf der Wüstenanlage, hat Gelenkarthrose und läuft bedacht. Das zuweilen struppige Fell bürsten das Tierpflege-Team mit einem Bürstenhandschuh aus dem Hundepflegesortiment.
„Sie ist die einzige Antilope, die sich von uns anfassen lässt“, sagt Tierpfleger Marcel Rehse. Die Addax-Seniorin bekommt auch immer ein frisches Blatt von ihren Zweibeinern, wenn sie die Anlage betreten. „Das weiß sie genau, sie kommt dann an und fordert ihre Belohnung.“ Abends gibt es noch energiereiches Kraftfutter und eine kleine Leckerei. Für die gute Nacht.
Der Gesundheitszustand der Tier-Senioren wird von uns daher regelmäßig beurteilt. Ganz wichtig ist dabei die Einschätzung der Tierpfleger, die ihre Tiere am besten kennen.

Zootierarzt Dr. Viktor Molnár

Die tierischen Senioren werden besonders aufmerksam beobachtet, denn die wenigsten Wildtiere zeigen, wenn es ihnen nicht gut geht. In der Wildbahn sind kranke Tiere leichte Beute oder werden verstoßen – die Instinkte sitzen tief. Anhand einer Checkliste wird alles dokumentiert – von der Futteraufnahme und Gewichtsentwicklung über Aktivität, Aufmerksamkeit, Sozialverhalten bis zu Schmerzäußerungen oder Schonhaltung wird alles festgehalten.
Tierärtze-Team im Erlebnis-Zoo

Zootierarzt Dr. Viktor Molnár mit Tierärztin Katja von Dörnberg

Steht ein älteres Tier mühsam auf oder humpelt es, bekommt es ein Schmerzmittel. „Das hilft sehr gut“, so Molnár. Und da die neuen Präparate so gut wie keine Nebenwirkungen haben, können sie über einen langen Zeitraum verabreicht werden. Wenn sich keine Besserung zeigt, steht die Komplettuntersuchung meistens unter Narkose an: Blut-, Harn- und Kotuntersuchungen, Ultraschall und Röntgenaufnahmen decken die Alters-Krankheiten auf. „Meistens können wir das gut behandeln“, freut sich der Tierarzt.
Manchmal aber auch nicht. Dann wird es traurig.
Ist trotz allem keine Besserung in Sicht, setzen sich Tierpfleger, Kuratoren und Tierärzte zusammen und besprechen den nächsten Schritt. Anhand der regelmäßigen Gesundheitsprotokolle lässt sich der Verlauf deutlich erkennen. Fast immer sind sich alle einig, den geliebten Senioren dann gehen zu lassen.
Die letzte Entscheidung aber liegt bei uns Tierärzten. Und auch wenn wir wissen, dass wir dem Tier damit helfen, fällt diese Entscheidung immer sehr schwer.

Viktor Molnár

Dieser Artikel erschien zuerst in der Ausgabe Herbst 2020 der Zoo-Zeitschrift "JAMBO!".