Drill vor grünem Gebüsch

Genetische
Grundlagen

Forschung & Wissenschaft

Die Abstammung der Zoo-Drills

Dieser Artikel erschien zuerst in der Ausgabe Herbst 2020 der Zoo-Zeitschrift "JAMBO!".

Marco Dinter erforschte im Rahmen seiner Masterarbeit die Abstammung der Zoo-Drills

 Es sind oft die kleinen Dinge, in denen Großes steckt. Winzigkeiten, die wertvolle Wahrheiten kennen. Mikrosatelliten sind solche Geheimnisträger: Kurze DNA-Sequenzen von zwei bis sechs Basenpaaren Länge. Für seine Masterarbeit hat der ehemalige Zoo-Scout Marco Dinter über 10.000 dieser Sequenzen mit neuesten Methoden analysiert und ihnen die Geheimnisse entlockt. Und damit die Basis für ein modernes Zuchtprogramm-Management für einen der am stärksten bedrohten Affen Afrikas, den Drill, geschaffen.
 
Um Inzucht und den Verlust von genetischer Vielfalt zu vermeiden, gibt es für bedrohte Tierarten in Zoos spezielle Erhaltungszuchtprogramme, die sich an den Stammbäumen der Tiere orientieren. In Europa leben zurzeit 106 Drills in 16 Zoos – eine sehr kleine Population, bei der es umso wichtiger ist, die genauen Verwandtschaftsverhältnisse zu kennen.
Der Student machte sich daran, diesen Unklarheiten genetisch auf den Grund zu sehen. 
Diese 106 Drills gehen auf neun Gründertiere zurück, deren Verwandtschaftsverhältnisse unklar waren, auch die genaue geografische Herkunft war nur bei zwei Tieren dokumentiert.

Marco Dinter

Kotprobe eines Zoo-Drills

Das aufwendige Verfahren der DNA-Gewinnung

 Und das bedurfte zunächst viel Geduld. Da sich kein Drill einfach so Blut abnehmen lässt, extrahierte Marco Dinter die DNA aus dem Kot der Tiere. Hört sich einfach an, ist es aber nicht: „Man muss genau wissen, welcher Kot von welchem Tier stammt. Und er muss frisch sein, weil die DNA schnell degradiert. Innerhalb einer Stunde muss der Kot eingesammelt und in Ethanol eingelegt sein.“ 
 
Stundenlang saß Marco Dinter vor den Scheiben von Afi Mountain und beobachtete die Drills. Wurde Kot abgesetzt, wurden die Tiere in ein anderes Gehege gelockt, damit das kostbare Gut eingesammelt und eingelegt werden konnte. 37 Proben kamen mit der geduldigen Hilfe der Tierpfleger aus Hannover und neun weiteren Zoos zusammen.
 
Als erstes bestimmte Marco Dinter die Herkunft der Tiere. „Das erkennt man in der Genetik an einer bestimmten Stelle.“ Die Mitochondrien, die Kraftwerke der Zellen, haben eine eigene DNA, die immer nur von der Mutter, nicht vom Vater, an die Kinder weitergegeben wird.
„Ich habe die Matrilinien weiterer vier weiblicher Gründertiere bis auf heute lebende Tiere zurückgeführt, deren Cytochrom-b-Sequenzen bestimmt und phylogenetisch mit den Sequenzen wildgeborener Drills verglichen“, erklärt Dinter. 
Uff. Mit der Methode grenzte er die Herkunft von Gründertier „Katharina“ auf die südliche Grenzregion von Nigeria und Kamerun ein. „Drill-Weibchen bleiben in der Wildbahn immer da, wo sie geboren wurden – das macht die Lokalisierung einfacher“, gibt Dinter zu.
Marco Dinter extrahiert aus Kotproben der Drills die DNA

Präzise Verwandtschaftsbestimmung erfordert Geduld

Geduld erforderte auch die Ermittlung des genetischen Fingerabdrucks der einzelnen Tiere und die daraus resultierenden Verwandtschaftsverhältnisse anhand von Mikrosatelliten. Die DNA besteht aus den vier Basen Adenin (A), Thymin (T), Cytosin (C) und Guanin (G) in unterschiedlichen Kombinationen. Ein Mikrosatellit hat eine Sequenz von zwei bis sechs Basenpaaren Länge, die sich zehn bis 100 Mal wiederholt, „und die wird in genau derselben Anzahl vererbt!“ schwärmt Marco Dinter. Für seine Masterarbeit analysierte er 41 solcher Sequenzen (man bezeichnet so einen Bereich der DNA als „Locus“) mit der modernen GbS-Methode (Genotypisierung durch Sequenzierung).
Das hat vor mir noch niemand für den Drill gemacht.

Marco Dinter

Während man früher die DNA auf Gel auftrug, die Sequenzen darin wandern ließ und hinterher anhand der Länge Übereinstimmungen feststellte, konnte Marco Dinter dank der neuesten Technik sogar die Buchstaben der Basen auslesen. „Die Methode ist viel genauer.“
 
Ein Programm sortierte die Sequenzen der 41 Mikrosatelliten schon einmal vor. „Aber gerade weil die Methode noch so neu ist, muss man sie noch einmal kontrollieren.“ Pro Tier, pro Gen-Locus. Insgesamt 10.000 Sequenzen durchforstete er. Man schafft drei Harry-Potter-Hörbücher dabei,“ schmunzelt Marco Dinter. Danach errechnen spezielle Stammbaum-Programme aus den Sequenzen die genauen Verwandtschaftsverhältnisse und wichtige Kennzahlen der Drill-Population.
Gezeichneter Stammbaum der untersuchten Drills

Stundenlange Arbeit zahlt sich aus – ein voller Erfolg des Erhaltungszuchtprogramms

 Das Ergebnis der stundenlangen, teils doch recht eintönigen Arbeit, freut ihn umso mehr: „Das Europäische Erhaltungszuchtprogramm für den Drill hat sehr gut funktioniert und weist eine hohe genetische Vielfalt auf. Wohl auch, weil die Gründertiere aus sehr verschiedenen Regionen kamen. Das war eine freudige Überraschung!“
Mit seiner Arbeit hat Marco Dinter die Basis für ein modernes Zuchtprogramm-Management geschaffen. Es wäre schön, wenn man nach und nach von allen 106 Tieren des Drill-Erhaltungsprogramms Proben nehmen und analysieren könnte. Das wäre noch aussagekräftiger.“ 

Jambo! Info

Forschung im Zoo

Jedes Jahr werden in den deutschen Zoos rund 250 wissenschaftliche Studien zu tierbiologischen und naturschutzrelevanten Themen publiziert. Marco Dinter hat an der Georg-August-Universität Göttingen studiert und dort den Master "Biodiversität, Ökologie und Evolution" mit Schwerpunkt "Naturschutzbiologie" gemacht. Für die Masterarbeit forschte er am Deutschen Primatenzentrum, Abteilung Primatengenetik. Betreut wurde die Arbeit von PD Dr. Christian Roos und Dr. Dietmar Zinner.
Dieser Artikel erschien zuerst in der Ausgabe Herbst 2020 der Zoo-Zeitschrift "JAMBO!".