Geschäftsführer A. Casdorff und Politiker halten das Jubiläumsschild

150 Jahre
Zoo Hannover

Historie

Mai 2015: Jubiläum im Zoo Hannover

Dieser Artikel erschien zuerst in der Ausgabe Frühjahr 2015 der Zoo-Zeitschrift "JAMBO!".

150 Jahre Menschen für Tiere begeistern

Der König hielt Wort. Als Georg V. von der Absicht der Hannoveraner hörte, einen Zoo zu eröffnen, versprach er ihnen zwei Bären. 1863 trafen die Bären ein – nur leider war der Zoo noch lange nicht fertig. 
In seiner 150jährigen Geschichte stand der Zoo in Hannover vor vielen tierischen Herausforderungen, erlebte Höhen und Tiefen, wurde zerstört und wieder aufgebaut, geschlossen und auf Drängen der Besucher wieder geöffnet. In der wechselvollen Geschichte blieb jedoch eines immer gleich: Die Begeisterung der Hannoveraner für ihren Zoo.
Es war genau diese Begeisterung, mit der Dr. Hermann Schläger Ende 1860 vor der Naturhistorischen Gesellschaft von den Vorteilen eines Zoos schwärmte. Schläger, der Zoos in London, Frankfurt und Berlin besucht hatte, stellte die allgemeinbildende Wirkung, die Förderung der Wissenschaft und – ein Faktor damals so wichtig wie heute – die Steigerung des Fremdenverkehrs durch den Zoo heraus. Schläger appellierte an den König und die Stadtverwaltung, beim Bau eines Zoologischen Gartens in Hannover zu helfen und schloss seine Rede mit den Worten: „Machen wir getrost den Anfang.“
Und so geschah es. Natürlich nicht ohne Gegenworte der Kritiker und Zweifler, die meinten, Hannover sei noch nicht zu dem Rang gelangt, einen Zoo von Bedeutung zu halten. Vielleicht ein hannoversches Phänomen. 
Damaliger Eingang zum Zoo

Feierliche Eröffnung mit zahlreichen Attraktionen des Zoos in Hannover

Am 4. Mai 1865 wurde der Zoo feierlich eröffnet, mit einem Tierbestand von knapp 500 Tieren (darunter ein Löwe und die königlichen Bären). Den Mittelpunkt bildete eine romantische Felsenanlage für Gebirgstiere, mit Greifvogel-Voliere, Aquarium und Grotten für Raubtiere. Die verschiedenen Teilbereiche waren durch die „Verlobungsbrücke“ miteinander verbunden. Ein romantischer Keller im Felsen diente als Restauration. Allen Zweiflern zum Trotz entwickelte sich der neue Zoo sich zum Publikumsmagneten: Bereits im ersten Jahr kamen 91.922 Besucher! Zum Vergleich: Hannover zählte damals nur etwa 68.000 Einwohner.
Neben den exotischen Tieren bot der Zoo jede Menge anderer Attraktionen: Besonders beliebt waren die nächtliche Illumination der Felsenanlage, Gartenfeste, Konzerte und schließlich auch die „Völkerschauen“.
Der Zoo wuchs beständig. 1866 kam das große Raubtierhaus hinzu, 1880 das erste Elefantenhaus. 1891 wurde das im orientalischen Stil mit Minaretten und Kuppel gebaute Haus für Antilopen, Kamele und Giraffen fertiggestellt, „der anheimelndste und in der ganzen Zoowelt geachtetste Bau“, wie die Hannoversche Rundschau 1967 beim Abriss rückblickend schrieb.
Die Affeninsel: eine Freisichtanlage

Freisichtanlangen für die Tiere als richtungsweisendes Konzept 

1911 setzte der Zoo erstmals die richtungsweisende Idee von Carl Hagenbeck um, Tiere in gitterlosen Freisichtanlagen zu zeigen. Die Affeninsel im Schwimmvogelteich wurde zum Hauptanziehungspunkt im Zoo, besonders wenn die Tierpfleger zur Fütterung der Rhesus- und Javaneräffchen zur Insel ruderten und lebhaft von den Tieren begrüßt wurden. 
Zwar sprachen sich einige der deutschen Zoodirektoren gegen die Hagenbeckschen Freianlagen aus, da sie das Tier nur in „scheinbarer“ Freiheit zeigten und nichts anderes als „Kulissen“ seien, die dem Besucher eine natürliche Landschaft vorgaukelten, dennoch fanden sich damals schnell Nachahmer.

Die Auswirkungen des ersten Weltkrieges gingen auch am Zoo nicht spurlos vorbei

Der erste Weltkrieg setzte dem Ausbau des Zoos ein Ende. Die Besucherzahlen sanken, die Futterkosten stiegen, wenn es das benötige Futter überhaupt gab. Von den 34 Affen, die der Zoo 1913 hielt, überlebte bis 1919 nur ein einziger, von 102 Huftieren schafften es nur 63. Im Januar 1920 schließlich konnten die Tierhäuser nicht mehr geheizt werden, weil es kein Brennmaterial mehr gab. Der Aktienverein, der den Zoo einst gegründet hatte, konnte den Zoo nicht mehr halten. 1920 übernahm ihn die Stadt Hannover. 
Aber auch die Stadt resignierte bald vor den tierischen Aufgaben und Kosten, die ein Zoo mit sich bringt. Für die Sanierung fehlte das Geld und die wenigen Tiere, die den Krieg überlebt hatten, lockten nicht viele Besucher an. Am 1. Oktober 1922 wurde der Zoo geschlossen, die Tiere verkauft, das Inventar versteigert
Plakat Wiedereröffnung

Eine Stadt hält zusammen: Der Zoo kann wieder eröffnet werden

Doch die Stadt hatte nicht mit ihren Bürgern gerechnet, die ihren Zoo behalten wollten! Eine Bürgerinitiative zur Rettung des Zoos gründete sich. Also erhielt die Stadt den Zoo in Zusammenarbeit mit der Tierhandelsfirma Ruhe aus Alfeld. Die Bürger beteiligten sich am Wiederaufbau in „hervorragender Weise durch Spenden von Material und Arbeitsstunden“, wie im Zooführer von 1927 zu lesen ist. Bis zum Herbst 1924 wurden ein Raubtierhaus, ein Affenfelsen für Paviane und eine Löweninsel neu erbaut. Im Mai 1924 konnte der Zoo wieder eröffnet werden. 
1932 wurde der Zoo schließlich komplett an Ruhe verpachtet und damit zum „Schaufenster“ des Tierhändlers. Auf der Löweninsel lebten zeitweise bis zu 30 junge Bären. Viele Tiere waren nur wenige Wochen im Zoo, bevor sie wieder verkauft werden.
Bau der Löweninsel

Vom Wiederaufbau zum Wandel: Die wechselvolle Geschichte des Zoos Hannover nach dem Zweiten Weltkrieg

Im zweiten Weltkrieg wurde der Zoo nahezu komplett zerstört, 1944 geschlossen und erst 1946 provisorisch mit geringem Tierbestand wieder eröffnet. Der Neubau begann in den fünfziger Jahren. Es entstanden Häuser für Nashörner, Elefanten, Giraffen- und Antilopen, eine Robben- und Pinguinanlage. 
Auch der Tierhandel florierte wieder und immer neue Arten kamen in den Zoo, die kurze Zeit ausgestellt und dann weiterverkauft wurden. „Unter den Zoologischen Gärten Europas nimmt der hannoversche eine Sonderstellung ein: in keinem anderen begegnet der Besucher jedesmal, wenn er kommt, Tieren, die er vorher noch nie gesehen hat“, hieß es dementsprechend im Zooführer 1953. Wöchentlich berichteten die Tageszeitungen über die Neuankömmlinge aus aller Welt: Zu Besuch kamen unter anderem Affenadler, Schuhschnabel, Saruskranich, Nilwaran, Trompetervogel, Giraffengazelle, Gerinuk, Wapitihirsch, Blaumaulmeerkatze, Colobusaffe, Banteng, Oryxantilope, Spekes-Gazelle, Buschschwein, Kongoni, Husarenaffe und Mishmi-Takine.
So interessant die verschiedensten exotischen Arten waren: Die Hannoveraner wollen keinen dauernd wechselnden Tierbestand. Ihre Lieblinge wie Nashorn Gus, Goldschopfpinguin Käpt’n Flint oder die Elefanten sollten bleiben und nicht gleich wieder verkauft werden. Öffentlicher Unmut machte sich breit, wenn die Zeitungen die Abgabe von Tieren ankündigten. 1972, als die Ära des Tierhandels durch weltweite Naturschutz-Abkommen zu Ende ging, übernahm die Stadt den Zoo wieder in eigener Regie, der Tierbestand wurde angekauft und blieb dem Zoopublikum erhalten. 
Unter den Zoologischen Gärten Europas nimmt der hannoversche eine Sonderstellung ein: in keinem anderen begegnet der Besucher jedesmal, wenn er kommt, Tieren, die er vorher noch nie gesehen hat

Zooführer 1953

Vom Umbruch zur Neuerfindung: Die Neugestaltung des Zoos Hannover

Dennoch nahm die Besucherzahl ab 1975 stetig ab. Zu viele neue Konkurrenten waren in der näheren Umgebung entstanden: ein Vogelpark, ein Safaripark, Freizeitparks, neue Bäder. Anfang der 1990er Jahre entsprachen weder der Erlebniswert des Zoos noch die Tierhaltung den zeitgemäßen Anforderungen. Aber für dringend erforderlichen Investitionen fehlten die öffentlichen Zuschüsse. Es stellte sich die Frage: Schließen oder einen Neuanfang wagen?
Neuanfang! Zunächst wurde das städtische Amt in eine GmbH umgewandelt, diese dann 1994 an den Kommunalverband Großraum Hannover veräußert (heute: Region Hannover). Zoofachleute, Architekten und Freizeitforscher entwickelten in enger Zusammenarbeit das Konzept „Zoo 2000“, mit dem sich die Zoo Hannover GmbH am Ideenwettbewerb der EXPO 2000 beteiligte. Mit Erfolg: Am 12. April 1996 wurde der Zoo offiziell als Projekt registriert.
Mit der gleichen Begeisterung, die 1865 zur Eröffnung des Zoos und nach den Weltkriegen zum Wiederaufbau geführt hatte, arbeitete das Zooteam am Umbau zum Erlebnis-Zoo. 1996 entstand der Gorillaberg, 1997 der Dschungelpalast, 1998 Meyers Hof. 2000, nach zwei Jahren Bauzeit, bahnte sich der Sambesi seinen Weg durch die afrikanische Steppe, Wüste und Savanne. Mit der Eröffnung des Outback und der Kanadalandschaft Yukon Bay 2010 schloss sich die Reiseroute um die (Zoo-)Welt.
Baustelle in der Themenwelt "Yukon Bay"
Themenwelt Yukon Bay

Hannovers Zoo: Vom regionalen Tierpark zum internationalen Publikumsmagneten

Die Themenwelten zeichneten sich durch die große Liebe zum Detail aus und wurden – nach anfänglicher Skepsis – schnell zum Vorbild: Zoodirektoren aus aller Welt kamen nach Hannover, um die moderne Tierhaltung zu begutachten, im Boot über den Sambesi zu gleiten und den Tieren auf eine ganz neue, würdevolle Art zu begegnen. Auch die Besucherzahl stieg mit jeder neuen Themenwelt auf schließlich über 1,3 Millionen an. 
Heute ist der Erlebnis-Zoo das beliebteste Ausflugsziel in der Region Hannover und europaweit bekannt. An seiner Attraktivität arbeitet das Zooteam ungebremst begeistert weiter und stellt sich neuen tierischen Herausforderungen! Damals wie heute. 
Für Butz und Petz, die Bären von Georg V., wurde 1863 übrigens schnell eine provisorische Unterkunft im parkähnlichen Garten der Wirtschaft „Neues Haus“ gefunden, bis sie im Juli 1864 schließlich in ihr fertig gestelltes Gehege ziehen konnten. Für ihren Zoo hielten die Hannoveraner schon immer zusammen. 
Dieser Artikel erschien zuerst in der Ausgabe Frühjahr 2015 der Zoo-Zeitschrift "JAMBO!".