Schimpanse vor grünem Hintergrund

Spieglein, Spiegeln
in der Hand

Forschung & Wissenschaft

Max-Planck-Institut forscht in Afi Mountain

Dieser Artikel erschien zuerst in der Ausgabe Frühjahr 2023 der Zoo-Zeitschrift JAMBO!

Der Spiegeltest: Selbsterkennung bei Primaten

Ein körpergroßer Spiegel, viele kleine Handspiegel, fünf Kameras und viel Geduld – das waren die „Zutaten“ für Dr. Kathrin Kopps Studien-Aufbau im Urwaldhaus. Die Wissenschaftlerin vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie Leipzig (MPI-EvA) war mit ihrem neuen Forschungsprojekt zu Gast im Erlebnis-Zoo. Forschungsthema: Können Primaten sich selbst im Spiegel erkennen? Und lassen die Beobachtungen Rückschlüsse auf die evolutionäre Entwicklung des Menschen ziehen?
Um herauszufinden, ob und wie die Primaten aus dem Erlebnis-Zoo auf ihr Spiegelbild reagieren, hat Dr. Kathrin Kopp vier Tage lang die Schimpansen und Westlichen Flachlandgorillas in Afi Mountain besucht – natürlich immer mit Spiegeln im Gepäck.
Der Spiegeltest in Afi Mountain wird mit Kameras aufgenommen
Schimpanse
Am Anfang haben wir einen großen Spiegel von außen an der Scheibe befestigt. Dann, das ist relativ neu, haben wir zusätzlich kleine, bruchsichere Handspiegel mit in die Anlage gegeben

Dr. Kathrin Kopp

Ein Schimpanse sitzt vor einem Spiegel

Primaten und der Spiegeltest: Wie der Selbsterkennungstest funktioniert

Beim „Spiegeltest“ untersuchen die Forschenden des Instituts zunächst die Reaktionen der Tiere auf die Spiegel. Von Affe zu Affe kann das sehr verschieden ausfallen: „Für manche ist das Tier im Spiegelbild zunächst einmal ein Artgenosse – die Reaktion kann freundlich, aber auch abwehrend sein“, erklärt Dr. Kopp. Manche untersuchen auch den Spiegel, greifen neugierig dahinter. 
Eine andere mögliche Reaktion ist, dass die Tiere das Spiegelbild intensiv betrachten oder es testen. „Dabei beobachten wir dann, dass die Tiere zum Beispiel eine Grimasse schneiden, mit der Zunge wackeln und schauen, ob das ,Gegenüber‘ im Spiegel das auch tut“, berichtet die Forscherin. „Ein Zeichen für das Selbsterkennen sehen wir, wenn die Primaten mit Hilfe des Spiegels Stellen ihres Körpers ansehen und untersuchen, die sie so sonst nicht sehen würden, wie zum Beispiel das Gesicht, die Augen und den Mund“, stellt Dr. Kopp klar. Im weiteren Schritt kommt Farbe ins Spiel: Die Tiere erhalten eine Markierung im Gesicht. 
„Stellen sie die Veränderung in ihrem Spiegelbild fest, berühren, untersuchen oder entfernen sie diese Markierung, ist das ein anerkannter Hinweis auf Selbsterkennen“, berichtet die Wissenschaftlerin.  
Dr. Kathrin Kopp zeichnet per Kamera auf

Forschungsdaten aus Afi Mountain: Spannende Ergebnisse bei der Primatenforschung

Wer wie genau auf die Spiegel reagiert hat, wertet das Team um Dr. Kathrin Kopp im Detail aus. Dabei helfen die Videoaufnahmen, die jede noch so kleine Reaktion und Interaktion mit dem Spiegelbild festgehalten haben. Eines kann Dr. Kopp über ihre Tests im Erlebnis-Zoo aber schon vorab verraten: Schimpanse Max hat den Spiegeltest wie es im Lehrbuch steht bestanden. 
„Er hat den Mund aufgemacht und sich alles genau angesehen, die Zähne, die Zunge“, berichtet Dr. Kathrin Kopp. Und auch Gorilla-Mädchen Tara bleibt der Forscherin im Gedächtnis: „Tara hat großes Interesse an den Handspiegeln gezeigt und mit ihnen interagiert. Aber vor allem auch, um damit ihren Vater zu ärgern“, schmunzelt die Forscherin. 
Schimpanse "Toto" nutzt den Handspiegel
Schimpanse "Maleika" mit einem Handspiegl in der Hand

GrApeNet

Ein Forschungsnetzwerk für Selbsterkennung bei Primaten

Vorbild für die neue Studie des Max-Planck-Instituts ist der „Spiegeltest“ von 1970. Unterstützt wird das Team des MPI-EvA von insgesamt 14 Zoos, die im neuen Forschungsnetzwerk GrApeNet organisiert sind. 
„Das ermöglicht uns eine sehr große, repräsentative Stichprobe von allen in deutschen Zoos gehaltenen Menschenaffenarten zu erheben“, berichtet die Studienleiterin. Interessant sind für das Forschungsteam nicht nur Alter und Geschlecht der teilnehmenden Tiere, sondern auch deren Geschichte, wie sie aufgewachsen sind. 
So haben wir eine ganze Bandbreite an möglichen Einflussfaktoren auf das Selbsterkennen.“ 
Bis zum Ende des Jahres wird die Wissenschaftlerin mit ihrem Team vom Max-Planck-Institut brauchen, um das Material aus dem Erlebnis-Zoo und den anderen Partnern des GrApeNet zu sichten, zu kodieren, zu analysieren und mit allen über die Tiere gesammelten Informationen zu interpretieren. Und dann wird sie die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Selbsterkennung bei Primaten bekanntgeben – bei denen auch die Affen aus Afi Mountain mitgeholfen haben.
Dieser Artikel erschien zuerst in der Ausgabe Frühjahr 2023 der Zoo-Zeitschrift "JAMBO!"