Bennett-Känguru vor grüner Wiese

Keilkissen für
Kängurus

Forschung & Wissenschaft

Zoo-Forschungsarbeit über Lumpy Jaw Disease

Dieser Artikel erschien zuerst in der Ausgabe Frühjahr 2020 der Zoo-Zeitschrift JAMBO!
Behutsamer Forscher: Felix Wackermann im Erlebnis-Zoo Hannover
Kängurus sind nicht nur für ihren Beutel bekannt, sondern leider auch für eine Beule, die sich oft in ihrem Kiefer entwickelt. „Lumpy Jaw Disease“ (LJD) ist eine chronische Erkrankung der Kieferknochen, die – wenn zu spät entdeckt – für die Tiere tödlich enden kann.
Um die Krankheit frühzeitig radiologisch diagnostizieren zu können, hat Tiermedizinstudent (und Zoo-Scout) Felix Wackermann im Rahmen seiner Doktorarbeit im Erlebnis-Zoo geforscht und unter anderem die beste Kopf-Position für Röntgenaufnahmen bei den Beuteltieren entwickelt - abgesehen von der Computertomografie (CT). „Aber ein CT ist nicht für jeden Zoo verfügbar, ein Röntgengerät schon“, so Wackermann.
Für Kängurus gab es kein radiologisches Verfahren zur Bestimmung des Stadiums der Krankheit. Außerdem war nicht bekannt, welches Verfahren sich am besten eignet.

Felix Wackermann

Über drei ausgetüftelten Schritten zur richtigen Diagnosetechnik

Der Tiermedizinstudent schrieb 77 Zoos an und sammelte Daten über das Auftreten der Kiefererkrankung, die bevorzugten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Wie eine Röntgenaufnahme des Kopfes zur Diagnose im Idealfall gemacht werden sollte, war aber nicht eindeutig festgehalten. Auch fehlten Vergleiche von den Röntgenbildern zu Aufnahmen der Computertomografie: Welche ersten Anzeichen, kleinste Läsionen, lassen sich überhaupt beim Röntgen erkennen? Viele Fragen, denen sich der Doktorand in drei Schritten näherte. 
Ein Känguru auf Keilkissen

Schritt 1: Die Kopfposition

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Für ein klares Bild darf es bei der Aufnahme auf keinen Fall zu einer Überlagerung der oberen und unteren Zahnreihen kommen. Felix Wackermann fertigte Styroporkeile mit unterschiedlichen Schrägstellungen an, um die optimale Kopflagerung der Tiere zu ermitteln – aus Tierschutzgründen untersuchte er den Winkel an einem verstorbenen Tier. Ergebnis: Um alle Zähne zu erkennen, beträgt die optimale Winkelung 30° Grad bei geöffnetem Maul, und zwar sowohl links- und rechtsliegend. 
Ein Känguru im CT

Schritt 2: Untersuchung am lebenden Känguru

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Als einige Bennett-Kängurus im Erlebnis-Zoo zu Untersuchungszwecken in Narkose gelegt werden mussten, wurde die Chance genutzt, gleichzeitig Aufnahmen mittels Schädelröntgen, Dentalröntgen und Computertomografie zu machen und die Ergebnisse zu vergleichen. 
Röntgenbild eines Kängurus

Schritt 3: Auswertung

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Hunderte Bilder und einige schlafende Kängurus später stand fest, dass die Computer-Tomographie nach wie vor die eindeutigsten Untersuchungsergebnisse erzielt. Auch das Dental-Röntgen liefert aussagekräftige Bilder – ist dafür allerdings sehr zeitaufwendig in der Erstellung.
Wir hätten nicht gedacht, dass es so schwierig ist, Zahn-Aufnahmen bei Kängurus zu machen – sie haben ein sehr kleines Maul und die Röntgenplatten sind relativ groß.

Felix Wackermann

Neue Methode zur Röntgendiagnose

Klassifizierung der Kiefererkrankung bei Kängurus für Zoos ohne CT: Mit seinen Untersuchungen gelang es dem Doktoranden, eine Lösung für Zoos zu finden, die keinen Zugriff auf ein CT und Dentalröntgen haben, um dennoch aussagekräftige Aufnahmen vom Schädel anfertigen zu können. Mithilfe des 30°-Lagerungskeils „können Schädel-Röntgenaufnahmen als verfügbares Diagnostikum zur Diagnosestellung von mittel- bis hochgradigen Fällen der Lumpy Jaw Disease genutzt werden“, freut sich Felix Wackermann. 
 
Anhand der vielen Aufnahmen entwickelte der Doktorand zudem ein Klassifizierungsschema für die verschiedenen Stadien der Krankheit, um die Diagnose zu vereinfachen und die Behandlung der Tiere dementsprechend schnell einleiten zu können. 

Forschung
in Zoos

Wissenschaftlich betreut wurde Felix Wackermann von Prof. Michael Fehr von der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover sowie Dr. Viktor Molnár und Dr. Katja von Dörnberg aus dem Erlebnis-Zoo. 
Jährlich wirken die deutschen Zoos an über 200 wissenschaftlichen Studien zu tierbiologischen und naturschutzrelevanten Themen mit. 

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Dieser Artikel erschien zuerst in der Ausgabe Frühjahr 2020 der Zoo-Zeitschrift "JAMBO!"