Studierende von der TiHo Hannover im Erlebnis-Zoo

Forschung
im Zoo

Forschung & Wissenschaft

Bioakustik im Zoo: Studierende der TiHo auf akustischer Spurensuche

Was sagen Tierstimmen über Identität und Verhalten aus?
Kann man Seelöwen, Schafe oder Aras am Klang ihrer Stimme erkennen?
Diesen spannenden Fragen widmen sich aktuell Studierende der Stiftung Tierärztlichen Hochschule Hannover (TiHo) im Rahmen des Bioakustik-Moduls. Im Mai begaben sich die Nachwuchsforscherinnen und -forscher auf akustische Spurensuche im Erlebnis-Zoo Hannover – mit Mikrofon, Kamera und viel Neugier im Gepäck.

Was ist
Bioakustik?

Bioakustik
Die Bioakustik ist ein Teilgebiet der Verhaltensbiologie, das sich mit Lautäußerungen von Tieren befasst.
Untersucht wird, wie Tiere kommunizieren, warum sie bestimmte Laute verwenden und ob sich diese individuell, altersbedingt oder situationsspezifisch unterscheiden.
"Bioakustik hilft uns nicht nur, das Verhalten von Tieren besser zu verstehen, sondern kann auch Hinweise auf ihr Wohlbefinden geben", erklärt Dr. Marina Scheumann, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Dozentin an der TiHo. Sogar für die Arterkennung oder Populationsüberwachung kann sie eingesetzt werden. „Dabei untersuchen wir von der kleinen Etruskerspitzmaus bis zum Breitmaulnashorn eine Vielzahl von Tierarten, um auch die Evolution von akustischer Kommunikation besser verstehen zu können“, so Dr. Scheumann.
Die Zusammenarbeit mit Zoos ist dabei unverzichtbar: Sie ermöglicht kontrollierte Studienbedingungen und den direkten Vergleich akustischer Signale mit bekannten individuellen Merkmalen.

Akustische Forschung bei den Robben

Ein besonderes Interesse galt den Kalifornischen Seelöwen: Johanna Libske und Maline Türk, beide Masterstudentinnen im Studiengang Animal Biology and Biomedical Sciences, wollten herausfinden, ob sich die Laute der Tiere individuell unterscheiden lassen.
„Ich interessiere mich sehr für die Seelöwen und wollte untersuchen, ob sich ihre Laute individuell unterscheiden lassen – sozusagen ein akustischer Fingerabdruck“, erklärt Johanna Libske.
Die Möglichkeit, vokale Signale direkt mit individuellen Merkmalen wie Aussehen und Verhalten zu verknüpfen, ist aus wissenschaftlicher Sicht extrem wertvoll.

Maline Türk, Studentin an der TiHo

Studierende von der TiHo Hannover im Erlebnis-Zoo

Maline Türk, Studentin an der TiHo, dokumentiert die Lautaufnahmen zusätzlich mit der Kamera

Tierisch gute Zusammenarbeit

Die Studentin dokumentierte die Studie zudem mit Videoaufnahmen um diese später mit den Audioaufnahmen zu synchronisieren, denn für die spätere Analyse ist es wichtig zu wissen, welcher Laut zu welchem Tier gehört.
„Solche Datensätze ermöglichen es, individuelle Unterschiede systematisch zu erfassen – das ist eine wichtige Grundlage für bioakustische Forschung“, ergänzt Johanna Libske.
Unterstützung bekamen die beiden bei den Robben von Tierpfleger Henrik Voges.
Studierende von der TiHo Hannover im Erlebnis-Zoo

Tierpfleger Henrik Voges kann durch das medizinische Training gezielt Lautäußerungen über klare Signale abrufen

Durch das tägliche, vertrauensbasierte medizinische Training mit den Tieren kann er gezielt bestimmte Verhaltensweisen – darunter auch Lautäußerungen – über klare Signale abrufen. So war es möglich, gezielt Laute einzelner Tiere aufzunehmen und diese präzise den jeweiligen Individuen zuzuordnen.
„Wir durften die Tiere aus nächster Nähe erleben – das Fell eines Seelöwen zu berühren war unglaublich! Unsere Hände riechen jetzt zwar ein bisschen nach Fisch, aber der Besuch hat sich auf jeden Fall gelohnt!“, erzählen die beiden lachend.
Besonders beeindruckt waren sie vom Verhältnis zwischen Tierpflegenden und Tieren: ein eingespieltes Team mit viel Vertrauen auf beiden Seiten.

Auf dem Bauernhof: Forschung bei den Schafen

Auch auf dem Zoobauernhof wurde geforscht: Fiona Buchmann und Luisa Schwarze widmeten sich den rauwolligen Pommerschen Landschafen.
Ihr Ziel: Unterschiede in der Lautäußerung zwischen Jung- und Alttieren im Spektrogramm zu analysieren. "Das Futtereimer-Klappern reichte schon aus, um ein lautes Mäh-Konzert auszulösen", berichtet Fiona Buchmann schmunzelnd. Die Nachbearbeitung der vielen überlappenden Tonspuren sei zwar mühsam, aber der direkte Kontakt mit den neugierigen Schafen mache das schnell wieder wett.
"Plötzlich waren wir von einer ganzen Schafherde umringt – da musste die Forschung kurz pausieren", erinnert sich Luisa Schwarze lachend.
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Rauwolliges Pommersches Landschaf

Die Studentinnen Fiona Buchmann und Luisa Schwarze umringt von neugierigen Schafen

Lautstarke Begegnung mit Aras

Studierende von der TiHo Hannover im Erlebnis-Zoo

Kurze Foto-Pause: Emily Graf mit Ara auf der Schulter

Emily Graf und Rebecca Busse entschieden sich für ein besonders farbenfrohes und lautes Forschungsthema: die Gelbbrustaras im Bereich Zoologicum. "Aras sind extrem laut und kommunizieren ständig – ideal für unsere Aufnahmen", sagt Rebecca Busse.
Besonders zwei Aras, die vom Zoo-Team liebevoll "Luca" und "Ramon" genannt werden, erwiesen sich als ausgesprochen menschenbezogen und machten es sich während der Aufnahmen auf den Schultern der Studentinnen bequem. "Eine besondere Herausforderung, aber auch eine wunderschöne Erfahrung", ergänzt Emily Graf.
Studierende von der TiHo Hannover im Erlebnis-Zoo

Forschung mit Ara: Rebecca Busse und Emily Graf kamen bei ihrer Forschung den Tieren sehr nah

Vielfalt auf einen Blick: Bioakustik in der Freiflugvoliere

Studierende von der TiHo Hannover im Erlebnis-Zoo
Sven Schwebe wählte für sein Projekt die Freiflugvoliere mit afrikanischen Vogelarten. Er untersuchte die Unterschiede in der Lautäußerung zwischen Russköpfchen und Palmtauben. "Klar, man hört auch mit dem bloßen Ohr, dass sie unterschiedlich klingen. Aber die Analyse im Spektrogramm liefert fundierte Ergebnisse - auch von Lautäußerungen, die wir mit unseren Ohren gar nicht hören können.", erklärt Sven Schwebe.
Die zahlreichen gleichzeitigen Lautäußerungen machten die Aufnahmen zwar herausfordernd, seien aber eine gute Vorbereitung auf Forschungen unter Feldbedingungen. "Wer sich ruhig verhält, erlebt die Vögel in der Freiflugvoliere aus nächster Nähe – ein besonderes Gefühl." gibt er zu.
Carolinataube auf einem Ast
Rußköpfchen sitzen dicht beieinander in der Afi Voliere

Palmtauben und Russköpfchen: In der Freiflugvoliere in Afi Mountain leben verschiedene Afrikanische Vogelarten

Zusammenarbeit der Stiftung Tierärztliche Hochschule und dem Erlebnis-Zoo Hannover

Praxis trifft Lehre

Ein starkes Team für den Artenschutz

Die Zusammenarbeit zwischen der TiHo und dem Erlebnis-Zoo geht auch über die veterinärmedizinische Behandlung der tierischen Patienten hinaus. Schon seit vielen Jahren kooperieren Zoo und Hochschule in der Forschung miteinander. Unterstützt werden Projekte von Zoo-Forschungsreferentin Kathrin Röper, die als Schnittstelle zwischen Zoo und wissenschaftlichen Einrichtungen fungiert. Sie koordiniert, vermittelt Kontakte und achtet stets auf das Tierwohl.
„Wir freuen uns sehr, dass unsere Tiere zur Ausbildung angehender Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beitragen können“, so Kathrin Röper.

Fazit: Stimme mit Wiedererkennungswert

Ob Seelöwe, Schaf oder Ara – jedes Tier kommuniziert auf seine eigene Weise. Die bioakustischen Studien im Erlebnis-Zoo Hannover zeigen dargestellt durch ein Spektrogramm eindrucksvoll, wie vielfältig tierische Lautäußerungen sind und welche wissenschaftlichen Erkenntnisse daraus gewonnen werden können. Und sie zeigen: Zoos sind nicht nur Orte des Erlebens, sondern auch wichtige Partner für Forschung und Lehre.

Spektrogramm

In der Bioakustik schauen wir uns Rufe meist als Bild an, da wir nicht dasselbe Hörvermögen haben wie Tiere. Das Spektrogramm ist wie ein Notenblatt und zeigt uns die zeitliche Struktur und den Frequenzverlauf des Rufes an. Die Farbe gibt uns dabei zusätzlich Aufschluss, welche Bereiche besonders betont sind. Dabei kennzeichnen dunkle Farben laute Bereiche.

Dr. Marina Scheumann

Spektrogramm mit Rufen der Seelöwen „Pam“, „Holly“ und „Lotta“ zeigen, wie unterschiedlich die Individuen kommunizieren

Wussten
Sie schon?

Im Jahr 2024 nahm der Zoo an 35 neuen Forschungsprojekten teil, die von Institutionen aus verschiedenen Ländern wie Australien, Deutschland, Frankreich und den USA durchgeführt wurden. Diese Projekte erstrecken sich über verschiedene Fachbereiche, darunter Verhaltensbiologie, Artenschutz und Tiermedizin. Durch die enge Zusammenarbeit mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen trägt der Zoo dazu bei, das Verständnis und den Schutz von Tierarten weltweit zu fördern.